Riester-Rente hätte eine »nachhaltige Investition« sein müssen!

Als im Jahre 2001 die Zulagen-Rente durch Walter Riester (deshalb »Riester-Rente«) und im Jahre 2005 die Basis-Rente durch Bert Rürup (deshalb »Rürup-Rente«) eingeführt wurde, verpasste die deutsche Staatsregierung die Weichenstellung in Richtung Nachhaltigkeit.

Hier hätten die politisch Verantwortlichen bereits im Sinne der Nachhaltigkeit handeln müssen, denn das Geschenk an die private Finanzwirtschaft war groß! Wurde doch die auf dem Solidaritätsprinzip ruhende gesetzliche Rentenversicherung weiter eingeschränkt, zugunsten einer kapitalgedeckten, freiwilligen und privatwirtschaftlichen Altersvorsorge.

Mit Verabschiedung des »Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvermögens (Altersvermögensgesetz – AvmG)« vom 26. Juni 2001 wurde das Nettorentenniveau eines/r Eckrentners/Eckrentnerin von 70% auf 67% (EckrentnerIn ist, wer 45 Jahre Sozialversicherungsbeiträge bezahlt hat) abgesenkt. Um vorbeugend nicht noch mehr RentnerInnen in die Grundsicherung fallen zu lassen, entschloss sich die Regierung um Walter Riester, die kapitalgedeckte, privatwirtschaftliche Altersvorsorge mit staatlichen Zulagen und Sonderausgabenabzug zu fördern.

Das hat in der Finanz-, insbesondere in der Versicherungsbranche eine Goldgräberstimmung hervorgerufen. Schnell wurden Produkte zur Riester-Rente entwickelt. Selbstverständlich reagierte der Staat mit regulatorischen Vorgaben die im »Gesetz über die Zertifizierung von Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen (Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz – AltZertG)« festgeschrieben wurden. Die Zertifizierungsrichtlinie beinhaltet unter anderem Vorgaben zur Vererbarkeit, zur Rentenzahlung und zur Teilkapitalisierung. Vorgaben zur Nachhaltigkeit und Art der Rentabilitätserwirtschaftung blieben jedoch in der abschließenden Gesetzgebung vollständig außen vor.

Lediglich eine Veröffentlichungsvorschrift zur Nachhaltigkeit wurde festgeschrieben. So steht im § 7a [Jährliche Informationspflicht] des heutigen AltZertG¹ folgender Absatz:

» Im Rahmen der jährlichen Informationspflicht muss der Anbieter eines Altersvorsorge- oder Basisrentenvertrages auch darüber schriftlich informieren, ob und wie ethische, soziale und ökologische Belange bei der Verwendung der eingezahlten Beiträge berücksichtigt werden. «  

Diese Ausformulierung wurde von der Finanzlobby zur Verhinderung strenger Nachhaltigkeitsregulierung hart erkämpft und findet seit 2001 rege Anwendung. Als sogenannter Gummiparagraph lässt die gefundene Formulierung der Finanzbranche einen größtmöglichen Ermessensspielraum in der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien.

So kann die Finanzbranche in den sehr komplexen Vertragsunterlagen zur Altersvorsorge, wie der Riester-Zulagen-Rente, die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien mit einem einzigen Satz verneinen. Und verneint ein Anbieter von Altersvorsorgeprodukten das » ob ethische, soziale und ökologische Belange Berücksichtigung finden «, muss das » wie « erst gar nicht weiter beschrieben werden. Warum auch, wenn sich der Anbieter schriftlich dazu bekennt, dass Nachhaltigkeit bei den Entscheidungsprozessen keine Rolle spielt.

Leider hat an dieser Situation auch die »Verordnung über Informationspflichten bei Versicherungsverträgen (VVG-InfoV)« vom 18.12.2007 (in Kraft getreten am 01.01.2008) und das »Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge (Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz – AltvVerbG)« vom 24. Juni 2013 (in Kraft getreten am 01.01.2014) nichts verändert. Mit dem VVG-InfoV wurde die Finanzwirtschaft zwar verpflichtet Verbrauchern vorvertragliche »Produktinformationsblätter« zur Verfügung zu stellen und das AltvVerbG vereinheitlichte die Darstellung der Produktinformationsblätter für alle zertifizierten Altersvorsorge- und Basisrentenverträge nach einer Übergangsfrist per 01. Januar 2017, doch es wurde vollständig auf die Verpflichtung verzichtet, über Nachhaltigkeitskriterien vorvertraglich zu berichten.

Was für eine verpasste Chancen seit 2001! Obwohl der Staat alle Möglichkeiten spätestens mit der staatlichen Förderung von privaten Altersvorsorgeverträgen gehabt hätte, wurde es der Finanzbranche selbst überlassen, sich auf Freiwilligkeit basierend den nachhaltigen Kapitalanlagen anzunehmen.

Dass diese Freiwilligkeit nicht funktioniert hat und die meisten Versicherungsanbieter gar nicht oder nur vage berichtet haben, zeigt ein »Marktcheck Nachhaltigkeitsberichtspflicht bei Riester-Verträgen« der Verbraucherzentrale Bremen aus Juni 2016 (PDF der Verbraucherzentrale Bremen e.V., gefördert durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit).

Neue Hoffnung zur Integration von Nachhaltigkeitskriterien brachte endlich die »Verordnung (EU) 2019/2088 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor«, kurz »Offenlegungsverordnung (Offenlegungs-VO)«. In die Offenlegungs-VO wurde erstmals eine Definition ökologisch nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten durch die »Verordnung (EU) 2020/852 Taxonomie-Verordnung« vom 18. Juni 2020 integriert.

Die Offenlegungs-VO gilt insbesondere für »insurance-based investment product«, im Akronym IBIP genannt. Unter die fondsgebundenen Versicherungsanlageprodukte-IBIP fallen jedoch zertifizierten Altersvorsorgeprodukte (Zulagen-Rente und Basis-Rente) sowie Produkte der betrieblichen Altersversorgung wiederum nicht. Damit wäre auch diese Offenlegungs-VO sehr kurz gesprungen. Zum Glück werden Anbieter von Riester-Zulagen- und Basis-Rentenverträgen aber über einen Verweis auf die Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 26. November 2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsprodukte (PRIIP) eingefangen. Denn unter den Artikel  2, Nummer 8, Buchst. a der Offenlegungs-VO fallen auch Altersvorsorgeprodukte die über die PRIIP erfasst werden. Somit dann auch Riester-Zulagen- und Basis-Rentenverträge. Ebenso Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung, die unter die EbAV II-RL fallen, werden von der Transparenz-VO nach Artikel 2, Nummer 7 erfasst. Abzuleiten ist damit auch, dass Direktversicherungsverträge und Rückdeckungsversicherungen unter die Offenlegungs-VO fallen, auch wenn sie nicht zu den EbAV gehören.

Damit darf den Verbrauchern als zukünftige VersicherungsnehmerInnen und der »Sustainable Finance« gratuliert werden. Mit dem Stichtag 10. März 2021 – dem Inkrafttreten der Offenlegungs-VO – verändert sich der Vorsorge-Markt in Richtung Nachhaltigkeit.

Endlich müssen Anbieter von Vorsorgeprodukten und Finanzberater, aus der Beratung aller III-Schichten der Altersvorsorge nach Artikel 6 der Offenlegungs-VO folgende Aspekte vorvertraglich ihren Kunden mitteilen:
a) die Art und Weise, wie Nachhaltigkeitsrisiken bei ihren Investitionsentscheidungen einbezogen werden; und
b) zu welchen Ergebnissen sie aus der Bewertung von Nachhaltigkeitsrisiken in Bezug auf die Auswirkungen auf die Rendite der angebotenen Finanzprodukte kommen.

Allerdings – um es klar zu stellen,… eine Verpflichtung zur Berücksichtigung von sozial-ökologischen Kriterien in der Kapitalanlage von staatlich geförderten Altersvorsorgeprodukten ist auch mit der Offenlegungs-VO immer noch nicht gegeben. Deshalb liegt es jetzt vor allem an der Bringschuld der VersicherungsberaterInnen, ihren KundInnen die Vorteile von Altersvorsorgeprodukten aufzuzeigen, die im Sinne der Nachhaltigkeit konzipiert und gemanagt werden.

Alle Offerten zur »Grünen Rente« sind selbstverständlich nachhaltige (Alters-)Vorsorge-Produkte!

¹ https://www.gesetze-im-internet.de/altzertg/__7a.html (abgerufen am 02.11.2020)

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